Öffentliche Bänke und der Blick, den man auf ihnen sitzend hat. Gesammelt in beiläufiger Obsession. mehr...

2011 las ich in Robert Gernhardts posthum veröffentlichter Textsammlung Toscana Mia die für mich folgenreiche Notiz: „Fotoserien, die einer mal in der Toscana aufnehmen sollte: […] Öffentliche Bänke und der Blick / die Aussicht, die man von ihnen hat.“ Auslöser für Gernhardt war eine Bank, die ihm in Gaiole aufgefallen war und von der aus man einen „unverbaubaren Blick auf einen Müllcontainer hat.“
Ich schenkte, der Passage keine besondere Beachtung, erinnerte mich aber an sie als ich wenige Tage später einen Bagger vor einer Parkbank entdeckte und dem Impuls folgte, die Szene wie vorgeschlagen zu dokumentieren. Ab nun hielt ich Ausschau nach Bänken, von denen aus man eine dem Zweck der Bank hohnsprechende Aussicht hat. Allerdings stellte ich fest, dass Bänke, von denen aus man eine wundervolle Aussicht hat, auch nicht zu verachten sind. Besonders, wie ich fand, wenn die Bank selbst hässlich ist.
Infolge begann ich, mich für Bankgestaltung zu interessieren und wunderte mich, dass Bänke nicht nur höchst unterschiedlich gut aussehen, sondern auch höchst unterschiedlich bequem sind. Das warf die Frage auf, ob manche Bänke gezielt so entworfen wurden, dass man es nicht allzu lange auf ihnen aushält. Mir begann die Vorstellung zu gefallen, dass in irgendeinem Amt Mitarbeiter darüber diskutieren, wo der beste Platz für eine Bank sei und welches Modell gewählt wird. Manche Bänke und Ausblicke halten großartige Pointen bereit, wenn man sie als Ergebnis planvollen Handelns betrachtet.
Auch stieß ich auf Bänke, die man am genau richtigen Platz aufgestellt, dann aber vergessen hatte, so dass der Zahn der Zeit sein zerstörerisches Werk an Bank oder Blick oder beidem begonnen oder bereits vollendet hat.
Schließlich geschah etwas für mich Unverständliches: Ich fand auch an den vollkommen nichtssagenden, stinknormalen Bänken und Ausblicken etwas Interessantes. Jede Bank erzählt eine Geschichte. Die eine ist besprüht, an der anderen hat jemand Müll hinterlassen und die dritte ist so unauffällig, dass es fast verdächtig ist. Ich habe die Merkwürdigkeit des Alltäglichen für mich entdeckt.
Die Sammlung beginnt mit der erwähnten Bank vor dem Bagger, folgt danach aber keiner nennenswerten Logik. Der Versuchung, Gernhardts Bank in Gaiole zu suchen, habe ich bis dato widerstanden.

was kann man denn dazu jetzt bitte sagen?

Bank und Blick

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